Letzte Woche habe ich sehr an mir gezweifelt. Ich bin nicht in der Lage und ich habe auch nicht die Nerven, drei Kinder zu betreuen. Morgens schon beim Aufstehen graute mir vor all dem, was da kommen sollte. Und abends ging ich mit großem Kummer und Rückenschmerzen ins Bett. Immer wieder hämmerte mir eine Frage im Kopf herum: wie machen das denn all die anderen Eltern? Haben sie ein Geheimrezept? Stärkere Nerven? Superkräfte? Oder war ich einfach nicht dazu in der Lage, eine gute Mutter zu sein?
Morgen des Grauens
Bei uns kommt gerade alles zusammen: Oskar hat mit seinen zwei Jahren einen sehr starken Willen. Vom Zähneputzen übers Anziehen, vom Wickeln übers Schuhe aussuchen, alles ist ein einziger Kampf und eigentlich nur mit sehr viel Geduld und Ruhe zu bewältigen. Alles ganz normal, ich weiß; da muss ein kleiner Mann üben, groß zu werden. Dann habe ich da ein Schulkind, das auch völlig normal ist. Es zieht sich ganz normal an, nämlich sehr, sehr langsam. Dabei hat es tausend Dinge im Kopf, nur nicht die Schule. Das Shirt ist falsch rum, die Hose offen. Zähne putzen hat es trotz hundertfacher Aufforderung vergessen. Das Töchterlein reiht sich ein in die Riege völlig normaler kleiner Mädchen. Es möchte keine schwarze Matschhose anziehen und es ist ihr egal, dass wir das teure Ding gebraucht und für einen super Preis bekommen haben. Sie trägt kein Schwarz, da kann ich mich auf den Kopf stellen.
Ich mag nicht mehr
Nachmittags haben alle drei dann auch noch die Suppe einstimmig für eklig erklärt, die ich mit viel Liebe und Kürbis gekocht habe. Aber welches Kind mag schon Kürbis? Alles in allem ein ganz normaler Tag mit Kindern, die sich so verhalten wie es Kinder tun. Und trotzdem war es für mich schlimm. Schlimm deshalb, weil ich mir Mühe gegeben hatte, endlich vernünftige Matschsachen für Luise zu besorgen, die wasserdicht sind. Schlimm, weil ich morgens unter Zeitdruck nicht die Nerven habe, einem Kleinkind zehn Geschichten von Bobo zu erzählen, nur damit es sich die Zähne putzen lässt. Und ich hatte absolut keine Lust mehr, einem Schulkind alles hundert Mal sagen zu müssen.
Ich war fertig mit den Nerven und vor allem so müde – müde vom Mamasein. Die Tür war zu, alle Kinder aus dem Haus und mir war nur noch danach, mich auf den Boden zu setzen und zu heulen. Wieso war ich so durch mit allem? Konnten andere Eltern all das normale Theater mit den Kindern besser ab? Warum hörte ich nie die Nachbarinnen brüllen, sondern nur mein Gekeife, das durch die Gasse hallte?
Mütter-Support in der Sprechstunde
In der Müttersprechstunde auf meinem Instagram-Kanal erzählte ich wenig später von den Fragen, die ich mir stellte. Dort hat sich eine kleine Runde etabliert, in der ich vormittags live ein paar Dinge bespreche, die uns Eltern betreffen. Das Finanzprojekt #MamasUndMoneten von Sophie und mir, Mamasein im Allgemeinen, Gleichberechtigung oder sonstiges, was mir so durch den Kopf geht. Und heute erzählte ich mal ein wenig Privates von mir, und dass mir da so einiges über den Kopf wächst.
Die Reaktionen auf mein Geständnis waren zahlreich und selten habe ich so viele Nachrichten bekommen. Immer war der Inhalt ähnlich: Ganz genau wie ich hatten so viele Frauen manchmal von allem zu viel. Eine Mutter schrieb, dass sie manchmal in der Küche sitzt und weint, weil ihr der Alltag mit ihren drei Mädchen so zusetzt. Eine andere berichtete, dass sie nie so fix und fertig ist wie nach einem ganzen Tag alleine mit den Kindern. Wieder eine andere berichtete mir, ihr würden die gleichen Fragen wie mir durch den Kopf gehen und sie frage sich, ob sie in der Lage ist, eine gute Mutter zu sein.
Auch wenn mir all die anderen Mütter so leid taten wie ich mir manchmal selber, war ich irgendwie erleichtert. Ich war nicht alleine mit diesem Gefühl! Es waren sogar die meisten, die hin und wieder dachten wie ich, ihre dicken Tiefs durchstehen mussten und stark an sich zweifelten. Dabei war auch die Anzahl der Kinder völlig egal. Allen Müttern , ob mit ein, zwei oder mehr Kindern, geht es ab und an mal so, nichts mit immerwährendem Bilderbuch und heiler Welt. Und irgendwie ist das ja auch klar! Wir ziehen Kinder groß, kleine Menschen mit eigenem Kopf. Wir erziehen modern, das bedeutet, wir zwingen ihnen nicht unseren Willen auf, sondern wir nehmen sie ernst und sprechen viel mit ihnen. Wir verzichten selbstverständlich auf Gewalt, auch wenn uns ehrlich gesagt manchmal vor Wut nach einem Klaps auf den Po wäre. Und die Kinder üben ihren Willen. Sollen sie auch, aber das kostet alles ihre und unsere Kraft. Kinder mit Geduld, Spucke und Liebe groß zu ziehen ist anstrengend. Ich habe in meinem ganzen Leben auch noch nie etwas Anstrengenderes gemacht, als ein wütendes Kleinkind davon zu überzeugen, doch jetzt mit mir von der Tagesmutter nach Hause zu gehen, weil dort die Tochter sitzt, die ebenso wütend ist und gerade das Inventar des Wohnzimmers zerlegt (es gab keinen Nachtisch oder nicht den richtigen oder was weiß ich, was der Grund dafür war…). Danach hätte ich mich für drei Stunden aufs Bett legen können, um an die Decke zu starren, so alle war ich. Aber ich musste meinem Großen bei den Hausaufgaben helfen, die er heute besonders doof fand…
Lasst uns darüber reden
Ich habe mal wieder viel gelernt durch den Austausch mit anderen Müttern! Wir müssen ehrlich darüber sprechen, was uns als Eltern auf dem Herzen liegt. Wir alle zweifeln mal an uns, wir alle halten uns ab und zu für schlechte Väter oder Mütter. Aber alleine, dass wir darüber nachdenken, macht uns zu besseren Eltern. Wir machen alle Fehler, sind ungeduldig und motzen unsere Kinder an, denn wir sind alle Menschen, die jeden Tag ganz schön viel leisten. Wenn wir über diese Zweifel sprechen und zugeben, dass wir diese Fehler machen, dann werden wir alle erleichtert sein. Denken wir nicht alle mal daran wie schön es wäre, den Eltern-Job für ein paar Tage an den Nagel hängen zu dürfen und einfach nur an uns selbst zu denken?
Ich habe neulich sogar in einer Doku, die ich um Fernsehen sah, eine Nonne um ihr Leben beneidet, das sagt ja schon alles. Es geht anderen wie mir, auch andere Mütter und Väter stoßen an ihre Grenzen, auch andere Mamas sitzen mal in der Küche, weinen vor Erschöpfung und möchten gerne ihren Alltag tauschen. Das ist alles ganz normal. Lasst uns darüber sprechen, denn geteiltes Leid ist halbes Leid. Und jede Mutter weiß, dass nach so einer Zeit, in der einem jeder Tag wie eine einzige Aneinanderreihung von Hürden aus Trotzanfällen, Streit und Diskussionen vorkommt, wieder eine Zeit kommt, die sich anfühlt wie Zuckerwatte: Mamas, die tanzen, Kinder, die lachen und eine Familie, die Hand in Hand durchs Leben geht.
Bleib fröhlich und denk daran: wir sind alle unperfekt,
deine Laura
16 Comments
Sehr schön geschrieben und so
Neben der Solidarität zwischen uns Müttern finde ich es aber viel wichtiger, unseren Gefühlszustand mit unseren Kindern zu teilen. Stichwort Authentizität! Wer, wenn nicht die Betroffenen, sollte wissen (und zwar bestenfalls vor dem Meltdown), dass wir grad kurz vorm Explodieren oder Verzweifeln sind. Der Tag ist stressig? Wir sammeln Frust nach Frust? Und dann sind wir lieb und nett, bis alles zusammenbricht? Ist das nicht genau das, was wir bei unseren Kindern hassen oder fürchten? Wenn sie ohne für uns ersichtlichen Grund losheulen oder aggressiv werden? Bingo… wenn wir Frust etc. aufschieben ist das das gleiche, nämlich vollkommen unverständlich für unsere Kinder und Mitmenschen. Und alleine zu heulen ist wohl so ziemlich das, was wir von unseren Kindern gar nicht sehen wollen… welcher Mutter würde es nicht das Herz zerreißen, wenn sie wüsste, dass ihr Kind so tut, als wäre alles ok, nur um dann alleine zu weinen.
Seht euch nicht als jemand besonderes in der Familie, nur weil ihr die Mutter seid. Ihr seid genauso Mensch wie der Rest. Also besser frühzeitig seinen Frust kommunizieren. Dann kann der Rest wenigstens darauf reagieren. Ihr nehmt nämlich nicht nur euch sondern auch allen anderen die Chance, etwas am Frust zu ändern oder euch Verständnis entgegen zu bringen und Konflikte zu lösen, wenn man es für sich behält oder nur mit anderen Müttern austauscht. Auch grad unsere Männer können dann nicht verstehen, wo das Problem liegt.
Ich muss nur sagen, ich finde es alles andere als normal, wenn man ständig rumschreit. Ich finde Menschen komisch, die nicht ein einziges Mal eine emotionale Regung in ihrer Stimme zeigen, ich bin selbst der Typ, der schnell seine Stimme erhebt, aber ständiges Schreien und Weinen zeugt von totunglücklichen Kindern… sorry… das hat nicht mehr viel mit damit zu tun, dass wir alle regelmäßig mal verzweifeln.
Liebe Nira, oh ja, ein gutes Thema. Ich denke auch, wir Eltern sollten mit unseren Kindern authentisch umgehen und auch unsere Gefühle zeigen. Wenn es alles zu viel wird und wir nur noch fix und alle sind, ist es enorm wichtig, sich mit sich selbst auseinander zu setzen. Wie kann ich mir selber helfen und meine Bedürfnisse nach Ruhe befriedigen, um wieder ausgeglichener zu werden? Liebe Grüße, Laura
Ach ja, dein Text trifft es perfekt
Manchmal möchte ich auch einfach einmal einen Tag Pause machen und wenn ich dann meinem Mann versuche zu erklären wie fix und fertig einen ein ganzer Tag mit 3 Kindern (4, 2 und 6 Monate) macht, dann versteht er das nicht oder er weiß einfach nicht wie sich ein Tag Kinder und Haushalt etc anfühlt
Er hilft mir auf jeden Fall viel und geht nachts zu den großen 2 wenn sie weinen aber das richtige „Verstehen“ fehlt ihm – und das macht es manchmal richtig schwierig wenn ich sag dass ich einfach fertig bin…
vllt ist das dann so ein Männer-Ding
Liebe Grüße
Liebe Eva, ich empfehle, deinem Mann mal für mindestens einen Tag das Zepter zu übergeben. Wie ist der schöne Spruch noch einmal: Wenn du nicht 1000
Meilen in den Mokassins
des anderen gegangen
bist, hast du kein Recht,
über ihn zu urteilen. Liebe Grüße, Laura
Pingback: 25 Ideen, um deinen Eltern-Alltag zu entlasten - Heute ist Musik
Liebe Laura!
Danke, für Deinen ehrlichen Text!
Es tut so gut! Mir geht es genauso wie Dir und wahrscheinlich allen Müttern!
Einen Tag klappt es gut mit meinen Nerven und ich rege mich weniger auf, andere tage aber bin ich müde, schimpfe, rege mich über ber mich selber auf und denke, warum ich unsere liebe Nachbarin mit ihrem ersten Baby niemals höre, geschweige lauter höre…
Ich bin wohl in unserer Straße die einziger Mutter, die man hört, wenn sie morgens mit ihren zwei Kindern das haus verlässt, oft mit weinenden oder schimpfenden Kindern!
Alles normal?!?!?
Ich freue mich auf einen ruhigen Abend mit Weinschorle!
Liebe Grüße
Melisande
Liebe Laura,
danke danke danke … für solch einen offenen und ehrlichen Artikel.
Ich sehe es genau wie Du: Wenn niemand sagt, wie er/sie sich fühlt, sehen alle nur die heile Welt. Und ja, es geht uns nicht ums Jammern, sondern aufzuzeigen, dass alle Höhen und Tiefen haben, dass sie einfach dazu gehören. Ja und irgendwie machen sie das Familienleben ja auch aus 🙂
Und wenn wir uns mit unseren Themen nicht mehr so allein fühlen, wenn wir wissen, dass da auch noch andere sind, denen es genauso geht … Ja, dann sieht die Welt doch gleich schon wieder etwas bunter aus 🙂
Danke für den gutgelaunten Start in die neue Woche!
Liebe Grüße von Anne
Liebe Anne, danke für deine lieben Worte. Ich freu mich, wenn der Text gut getan hat! Liebe Grüße von Laura
Wunderbar … Nicht das Erschöpft- und Verzweifeltsein, das ist mitunter sehr traurig, sondern das Drüberreden …
In diesem Sinne: für Perspektivenwechsel, mehr Mensch sein, abgeben (wenn möglich) und zugeben/annehmen. Solidarität, ein Fünkchen Wut, etwas mir-doch-egal-dann-ist-das-jetzt-so und zum Schluss eine Prise Humor (wenn möglich, hilft meistens zumindest kurzfristig) sowie … Auf das Pochen von politischen und gesellschaftlichen Änderungen auf Dauer nicht verzichten.
Herzliche Grüße, Barbara
Liebe Barbara, dem ist absolut nichts hinzuzufügen!
Fühle dich gedrückt. Mir geht es auch oft so. Wir haben aber „nur“ ein Kind und lange habe ich geglaubt, wer sich soooo unfähig fühlt darf nicht mal daran denken, noch ein weiteres Kind zu bekommen. Jetzt sehe ich das anders, weil ich immer mehr verstehe, dass es gar allen so geht.
Jetzt am Wochenende war ich krank und ich hab es offen gesagt soooo genossen, dass ich einfach mal richtig krank sein durfte – nicht teilzeitkrank bis die Kita aus ist oder mamakrank mit zig Todos im Kopf…und dann kam das Kind mit strahlenden Augen nach Hause und rief „Mama, ich bin soooo froh, dass ich wieder bei dir zu Hause bin“…
Jaja, wie du sagst: manche Tage sind die Hölle – aber manche sind einfach nur zuckerwattig-plüschig-perfekt
Liebe Katie, manchmal ist ein Kind schon genug, um fix und alle zu sein. Ich wünsch dir das Beste!
DANKE!
Danke für diesen ehrlichen Artikel. Zu wissen man ist nicht allein….
Sehr gerne, liebe Jule. Zusammenhalten und Austauschen ist Eltern-Balsam!
Liebe Laura
ein wunderbarer Text. Den hätte ich nahezu 1 zu 1 so schreiben können. Es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine ist.
Ich wünschte ich könnte bei deiner Müttersprechstunde teilnehmen, aber meine Jüngste (knapp 2…) ist noch bei mir zu Hause und somit habe ich leider keine Zeit dazu. Manchmal schaue ich mir das dann abends an. Wenn ich es nicht vergesse…
Unperfekte Grüße von der
jollmama
Liebe Christine, wie gut, dass die Videos 24 Stunden bleiben. Ich wünsch dir gute Nerven und alles Liebe!