Dem Muttermythos an den Kragen – Exklusiver Auszug aus meinem Mental Load-Ratgeber

Juchuu, mein Buch wird schon wieder nachgedruckt und erscheint nun bereits in der vierten Auflage. Zur Feier des Tages schenke ich dir einen exklusiven Auszug aus meinem Buch Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles. Was Eltern gewinnen, wenn sie den Mental Load teilen (Affiliate Link). Nachdem ich im ersten von drei Kapiteln das Mental Load-Problem schildere und im zweiten die persönlichen und privaten Auswirkungen der mentalen Belastung erkläre, geht es im letzten Teil um konkrete Lösungen für uns. Mütter sind deshalb so belastet, weil sie so viel schultern müssen und so lautet der Ausweg, sich die Care-Arbeit und die damit zusammenhängende Denk-Arbeit endlich gerechter mit ihren Partnern zu teilen. Aber zunächst können wir selbst etwas tun, und das gilt ganz besonders für Frauen, die keinen Partner haben oder deren Partner aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, einen Teil der Aufgaben zu übernehmen. Also, los gehts, gehen wir dem Muttermythos an den Kragen, der uns Frauen echt das Leben zur Hölle machen kann!

Falsche Erwartungen identifizieren

Für unsere eigenen Bedürfnisse einzustehen ist wichtig und fällt gleichzeitig so unendlich schwer. Wir Mütter sind es gewohnt, für unsere Familie da zu sein, und haben nicht ausreichend gelernt, für uns selbst zu sorgen. Veränderungen anzustoßen ist am leichtesten, wenn wir bei uns selbst anfangen. Dir ist beim Lesen des Buchs sicher bewusst geworden, welche Einflüsse auf dich wirken und welchen gesellschaftlichen Zwängen jeder von uns unterliegst. Christina Mundlos hat das in der Sendung Frau tv im WDR[i] passend in Worte gefasst:

Frauen werden auch heute noch fast ausschließlich über ihre Mutterschaft und über ihre Kinder definiert. Das heißt, die Identität von Frauen steht und fällt damit, ob sie von außen als gute Mutter angesehen werden.

Ich selbst habe bei der Recherche für dieses Buch ziemlich schlucken müssen, auch weil ich viel über mich selbst gelernt habe. Das war nicht immer leicht, und manchmal bin ich sogar richtig wütend geworden oder habe mich unglaublich hilflos gefühlt. Aber diese Erkenntnisse bewirkten, dass ich nun anders auf mich blicke und viele Anforderungen nicht mehr annehmen möchte. Das war der erste Schritt, und seitdem geht es mir schon ein ganzes Stück besser. Vielleicht fragst du dich nun, wie du dabei konkret vorgehen kannst? Wie kannst du den Druck ablegen und die Mutter sein, die deiner Persönlichkeit entspricht, ohne dabei dem Ideal des Muttermythos auf den Leim zu gehen?

Dieses Phänomen ist uns nun bewusst: Egal ob in dem Apothekenheft mit den zehn Tipps, wie Kinder gesund durch den Herbst kommen, auf dem Cover des Erziehungsratgebers im Buchladen oder auf dem Werbeplakat für Kindersonnencreme – abgebildet ist meist eine Frau mit ihrem Kind. Gleiches trifft auf Werbung für Haushaltsmaschinen zu, denn auch dort sehen wir nur Frauen. Was wir sehen, prägt unser Weltbild. Aber es sind nicht nur diese Bilder, die uns die Verantwortung in die Schuhe schieben, sondern ganz konkret die Menschen um uns herum. Im Fragebogen beim Kinderarzt wird gefragt, ob sich das Kind gut von der Mutter trennen könne, und ganz besonders oft weisen Schwiegermütter oder die eigenen Mütter darauf hin, dass Kinder und Haushalt in weiblicher Verantwortung stehen. »DEIN Kühlschrank ist leer« oder »hier steht noch DEIN Wäschekorb im Weg!« Ähnlich verhält es sich bei der Kinderbetreuung. Kaum ein Mann wird im beruflichen Umfeld gefragt, wer sich den ganzen Tag um die Kinder kümmert, während er außer Haus ist. Frauen dagegen müssen sich Vorwürfe anhören, wenn sie beruflich bedingt seltener zu Hause sind. Wir meinen heute, unser Leben frei gestalten zu können, aber so ist es einfach nicht, und das bekommen wir täglich zu spüren. Caroline Rosales hat das so formuliert: »Tatsache ist, dass jede Mutter, jede Frau so lange arbeiten gehen darf, wie sie möchte, doch das moralische Über-Ich, der gesellschaftliche Tadel hängt über ihr wie ein schwingendes Beil.«[ii]

Dieses von Rosales bezeichnete moralische Über-Ich und der gesellschaftliche Tadel haben sich als Stimmen in unserem Kopf manifestiert und melden sich jedes Mal kritisch, wenn wir etwas tun, das nicht der klassischen Mutterrolle entspricht. In Kombination mit den aktuellen Forderungen nach Karriere und finanzieller Unabhängigkeit entsteht dieser enorm hohe Druck auf Mütter, der sich dann in ihrem Hang zum Perfektionismus zeigt. Es sind zahlreiche Erwartungen, die also auch auf dich einprasseln, und es ist logisch, dass du die Verantwortung übernehmen möchtest. Hier aber steckt auch deine Chance. Die Erwartungen nicht anzunehmen ist die Schwierigkeit, aber auch dein Ausweg aus dem Dilemma.

Moderne Ansprüche hinterfragen

Warum sind wir heute so ausgebrannt und mental belastet? Haben wir es nicht viel leichter als die Mütter früher? Wir haben Erziehungsgeld und tolle Waschmaschinen, nehmen Elternzeit und haben Kitaplätze für Einjährige. Davon konnten die Frauen Generationen vor uns nur träumen. Allerdings war früher klar: Die Frau heiratet, steigt aus dem Job aus und wird Mutter. Sie kocht, putzt und wäscht und beschwert sich nicht, denn das ist nun einmal ihre Aufgabe. Deshalb verlief ihr Leben vermutlich weitaus entspannter. Aber selbst wenn es unsere Mütter ruhiger hatten, waren auch sie mental belastet, und manche Frauen schimpfen bis heute darüber, dass ihr Partner nicht einmal in der Lage ist, seinen Koffer selbst zu packen oder den Geldbeutel zu finden. Diese erlernte Hilflosigkeit der Männer hat schon früher für einen vollen Kopf bei ihren Partnerinnen gesorgt.

Es ist nicht so, dass alle Mütter früher zufriedener waren als heute, wie Soziologin Christina Mundlos am Beispiel der westdeutschen Frauen in den Fünfziger- und Sechzigerjahre erklärt:

Die Mutter, der es Freude bereitet, in jeder Minute ihres Lebens für die eigene Familie zu funktionieren und stets die Bedürfnisse anderer über ihre eigenen zu stellen, hat nie existiert. (…) Ein unglückliches Leben führen zu müssen und gleichzeitig nach außen einen fröhlichen Menschen zu spielen, dessen Fassade nie bröckeln durfte, hat viele Mütter psychisch krank gemacht.[iii]

Dass die Fassade nicht bröckelt, ist auch ein von uns erklärtes Ziel. Wir beobachten uns den ganzen Tag selbst, und unsere innere Stimme sagt uns, was andere Menschen VERMEINTLICH denken: »Na, mal wieder die Kinder angemeckert, obwohl Mütter liebevoll und geduldig sein müssen? Und dann noch Hefezopf beim Bäcker gekauft, wo doch die anderen Mamas alles selber machen! Kann es sein, dass du das Kind trotz Schnupfen in der Kita abgibst, weil dir der Job heute einfach wichtig war? Und dein Ausraster neulich im Supermarkt war ja wohl voll daneben.«

Unmengen an Ratgebern, Vorbildern in den sozialen Medien und Do-it-yourself-Anleitungen sind Möglichkeiten, die unsere Mütter im Gegensatz zu uns nicht hatten – auch zu ihrem Glück. Noch dazu standen die Kinder damals nicht so sehr im Fokus, wie sie es heute tun. Die bedürfnisorientierte Erziehung, ein sehr kindgerechter Erziehungstrend, widmet sich vom Grundgedanken her den Bedürfnissen aller Familienmitglieder, aber im mütterlichen Eifer gehen die eigenen Wünsche schnell unter. Außerdem denken wir, dass die anderen Mütter um uns herum ihr Leben im Griff haben, auch weil die wenigsten zugeben, dass der Anspruch zu hoch ist.

Heute trifft ein traditionelles Mutterbild auf ein modernes Frauenideal und wir versuchen, diese beiden zusammenzuführen. Es ist das Ziel, frei entscheiden zu können, wie man Mutterschaft lebt. Weil der Muttermythos aber bis heute tief in uns verankert ist, verstehen wir unter der freien Entscheidung, alle Ansprüche zu übernehmen, anstatt die für uns richtigen auszusuchen.

Frei wählen heißt eben auch, zum einen Ja, zum anderen Nein sagen zu können. Wir trauen uns nicht, berufstätig zu sein und die Kinderbetreuung für einen längeren Zeitraum anderen zu überlassen, oder aber wir spüren Zweifel an der Entscheidung, zu Hause bei den Kinder zu bleiben und die Berufstätigkeit zurückzustellen. Alles auf einmal geht jedoch nicht, und das muss im Übrigen auch für Männer gelten. Sich für eine Familie zu entscheiden und ihr dann keine Zeit zu widmen, ein gemütliches Zuhause zu genießen, aber sich selbst nicht für die Atmosphäre zuständig zu fühlen – das war bisher ein männliches Privileg auf Kosten der Frauen.

Heute können wir Frauen den Traum von beruflicher Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung wagen, der für die Mütter früher unerreichbar war. Aber wir wachen nicht selten in einem Alptraum auf, weil die Vereinbarkeit von Job und Kind, von Vollzeitmama und unabhängiger Frau einfach nicht gelingen mag. Wir müssen uns von dem Märchen der Super-Mutter, an das wir selber noch glauben, verabschieden. Denn diese Super-Mutter gibt es nicht, auch wenn das Bild von ihnen medial präsent ist. Gerade weil wir all die tollen Fotos in den Zeitschriften sehen, die weibliche Stars mit ihrer Kinderschar zeigen, auf Instagram schöne Mütter mit kleinen Babys im geschmackvoll eingerichteten Eigenheim bewundern und gleichzeitig im Internet lesen, dass Beruf und Familie zu vereinbaren seien, solange sich eine Frau einfach nur richtig reinhängt, möchten wir den Traum nicht aufgeben, es einmal selbst zu schaffen. Aber genau das sollten wir tun!

Tauschen wir den Traum der Super-Mutter gegen den Traum einer Mutter, die nicht mehr unter ihrem Mental Load leidet.

Wenn du mehr lesen möchtest, kannst du dir hier oder bei deinem örtlichen Buchhändler (#supportyourlocals) mein Buch bestellen. Du hörst lieber? Dann gibts „Die Frau fürs Leben“ auch als Hörbuch. KLICK. Im dritten Kapitel gibt es konkrete Übungen, wie wir uns vom Druck, eine SUPER MUTTER sein zu müssen, befreien können. Außerdem findest ihr viele praktische Ideen, den elterlichen Mental Load zu teilen. Die Revolution beginnt zuhause!

[i] Gestresste Mütter, Sendung Frau tv im WDR vom 03.02.2017

[ii] Caroline Rosales: Sexuell verfügbar, Berlin 2019, S. 194

[iii] Christina Mundlos: Mütterterror. Angst, Neid und Aggressionen unter Müttern, Marburg 2013, S. 112

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