Heute schreibe ich über ein sehr spannendes Thema, das ich letzte Woche in der Müttersprechstunde auf Instagram mit vielen anderen Frauen besprochen habe. Haben Frauen eigentlich eine Wahl, wenn es darum geht, nach der Geburt des Kindes zuhause zu bleiben oder wieder berufstätig zu sein? Der Ursprung zum Thema war mein Post auf Instagram, dass Feminismus meiner Meinung darin besteht, dass Frauen selbst entscheiden können.
Gefangen in der Kümmer-Rolle
Sheryl Sandberg hat mich inspiriert. In ihrem Buch Lean in. Frauen und der Wille zum Erfolg (Affiliate Link) hat sie von den Mütterkriegen geschrieben, die zwischen Frauen herrschten. Deren Identitäten stehen auf dem Spiel, daher ist der Kampf so unerbittlich. Es reicht also nicht, dass wir sowieso in Sachen Gleichberechtigung ein schweres Los haben, wir verurteilen uns also auch noch gegenseitig. Oder tun wir es vielleicht gerade deshalb, weil es so schwer ist, Frau und Mutter zu sein?
Warum ist das so? Warum fällt es nicht leicht, den Weg der anderen zu akzeptieren? Können wir uns frei entscheiden und wenn nicht, was hindert uns daran? Jedenfalls habe ich eine Umfrage gestartet und mich erkundigt, wie viele Frauen meinen, eine Wahl gehabt zu haben. Alexandra Zykunov, Brigitte-Redakteurin, Mutter und Feministin, kommentierte zu Recht kritisch, dass viele Frauen vermutlich denken, sie hatten eine Wahl, in Wahrheit stimme das aber nicht, weil sie oft unter einem starken gesellschaftlichen Zwang stünden. Ich kann das anhand meiner eigenen Biografie bestätigen. Damals dachte ich, dass es selbstverständlich ist, dass ich zuhause bleibe – schließlich bin ich die Mutter.
Fehlende Rollenvorbilder und ein schlechtes Gewissen
Hätten es Paare um uns herum anders gemacht, wären Anton und ich sicher auch auf die Idee gekommen, länger über die Aufteilung der Elternzeit zu diskutieren. Mir wäre es lieber gewesen, auch mal rauszukommen aus dem Haus. Mir hat meine Arbeit gefehlt, ich komme (bis heute) nicht klar mit der Rolle der Hausfrau. Ich hatte aber kaum Vorbilder, kannte keine anderen Mütter, die früh wieder arbeiten gegangen sind. Ebenso fehlten Anton sicherlich Väter, die zeitweise oder langfristig Hausmann sind. Außerdem hatte ich nicht das nötige Selbstbewusstsein. Wenn ich damals vor acht Jahren zügiger nach der Geburt wieder arbeiten gegangen wäre und mich hätte Jemand mit vorwurfsvoller Stimme gefragt, warum ich mein Baby alleine lasse, wäre ich wahrscheinlich vor schlechtem Gewissen in Tränen ausgebrochen, obwohl mir jeder Zeit klar gewesen wäre, dass Anton seine Sache zuhause mindestens so gut (wenn nicht besser) macht als ich.
Mütter sind verschieden
Es ist allein die Entscheidung der Eltern, wie sie sich die Kinderbetreuung und das Geld verdienen aufteilen. Aber genau hier stimme ich Alexandra zu, dass viele doch sehr stark durch die alten Rollenmodelle beeinflusst sind. Selbstverständlich gibt es ebenso viele Menschen, die zwar das alte Rollenmodell gewählt, dies aber völlig frei getan haben. Ich habe hier einmal Miriam von Leckerleckerliese interviewt und auch Beatrice Confuss war in der Müttersprechstunde zu Gast. Außerdem habe ich eine gute Freundin, die beide Seiten kennt: voll berufstätig zu sein und der Mann passt auf die Kinder auf sowie Teilzeit-Job als Lehrerin und nachmittags zuhause bei der Familie. Sie mag die zweite Variante viel lieber und würde sogar noch weiter die Arbeitszeit reduzieren, weil ihr die Zeit nachmittags mit den Kindern so unglaublich viel Freude bereitet. Das Tolle ist: meine Freundin hat einen sehr offenen Mann und beide Eltern können immer mal wieder klären, ob das Modell, das sie leben, noch passt.
Bei mir ist das Gegenteil der Fall, ich würde lieber mehr arbeiten. Mein Gefühl sagt mir aber, dass eine gute Mutter die Nachmittage zuhause liebt und ich gräme mich, dass ich anders bin. (Darüber habe ich übrigens hier geschrieben und viel Zustimmung erhalten)
Miriam und Beatrice ist, so lautet mein Eindruck, die Meinung anderer nicht so wichtig wie ihre eigene Wahl treffen zu können. Sie lassen sich von einem „denk doch an deine Karriere“ oder „wozu hast du denn so lange studiert?“ nicht von ihrem Modell abhalten, weil sie sich alle Vor- und Nachteile gut überlegt haben. Das aber ist eben das Schwere daran und für eine Menge Eltern nicht so leicht. Auch kommt dazu, dass sich manche Eltern nicht so einig sind über das richtige Modell oder es sich nicht leisten können, dass einer von beiden nicht erwerbstätig ist.
Gleichberechtigung und gerechte Familienpolitik
Ich finde es wichtig, dass wir in unserer Gesellschaft für Gleichberechtigung kämpfen und das bedeutet, dass es normal ist, dass sich ein Vater um seine Kinder kümmert und die Mutter arbeiten geht oder eben andersherum. Dass Eltern Möglichkeiten haben, ihre Arbeitszeit flexibel zu reduzieren und auch wieder die Stunden aufzustocken. Dass mehr Eltern es sich leisten können, reduziert zu arbeiten!
Im Übrigen war die meist genannte Antwort auf die Frage, wieso die Frauen nicht die Wahl hatten, das Thema Finanzen (78 %). Auch das müsste natürlich weiter ausdifferenziert werden, aber viele Frauen mussten gegen ihren Willen arbeiten gehen, weil sie das Geld brauchten. Extrem hohe Mieten und hohe Kitagebühren sind da sicherlich oft ein Grund meiner Meinung nach brauchen wir eine viel gerechtere Familienpolitik.
Trugschluss: geringer Verdienst
Viele Frauen haben sich auf Grund ihres geringeren Verdienstes für die Hausarbeit entschieden. Das war bei uns auch der Fall, Anton verdiente damals das Dreifache von mir. Also war klar, dass ich zuhause bleibe. Heute finde ich, dass das keine besonders wirtschaftliche Rechnung war. Besser wäre es gewesen, Anton und ich hätten Geld in die Hand genommen und es in meine berufliche Ausbildung gesteckt. Für ihn wäre es mit seinem Job leichter gewesen, auch weil Männer nach einer Elternzeit wesentlich weniger Einbußen haben als Frauen. Das Geld, das uns in Form von weniger Gehalt von Anton gefehlt hätte, und in meiner Berufsausbildung oder -karriere stecken würde, bringt uns künftig mehr Rendite als irgendein Spar-Konto.
Fakt ist, dass das fehlende Geld uns in unserer Wahl am stärksten einschränkt. Frauen schränkt es in ihrer freien Wahl aber noch viel stärker mehr ein als Männer und das ist nicht gerecht.
Zurück zur Instrgam-Umfrage
Auf meine Frage: „Zuhause bei den Kindern bleiben oder berufstätig sein: hattest du die Wahl?“ antworteten 47 % der Frauen mit Ja, 53% mit Nein. Auf meine nächste Frage „Wenn du nicht die freie Wahl hattest, lag es an gesellschaftlichen Konventionen? Also eine Frau muss bei den Kindern bleiben?“ antworteten 21% der Frauen mit Ja, 79% mit Nein (man beachte den Einwand von Alexandra). Selbstverständlich ist das keine besonders representative Umfrage und hängt auch damit zusammen, wer Instagram nutzt.
Kritisch gegenüber Kita und Co
Spannend war für mich auch, dass viele Frauen nicht wieder arbeiten gehen möchten und ein Kind nur mit unguten Gefühlen von einer Tagesmutter oder in der Kita betreuuen lassen. Damit hängt für mich mittlerweile eines zusammen: wir in Deutschland gehen einen Sonderweg. Wir sind im Allgemeinen kritisch gegenüber Erziehung außerhalb der Familie und sehen die Mutter als Verantwortliche für die Erziehung. In Barvara Vinkens Buch „Die deutsche Mutter“ werden diese Gründe geschichtlich erklärt, denn in anderen europäischen Ländern gibt es Unterschiede zu Deutschland. Der deutscher Sonderweg beruht vor allem auf der Politik nach dem Zweiten Weltkrieg, denn in Westdeutschland wurde Erziehung zur Privatsache und zur Angelegenheit der Frau.
Die Mutter bleibt zuhause und ist Hausfrau – dass war das erstrebenswerte Modell und Frauen, die arbeiten gehen mussten, wurden bemitleidet. Um sich von der DDR abzugrenzen, wurde von westdeutschen Politikern gegen Kinderkrippen polemisiert. Mit dem Einsatz für die Familie zeigte die Frau, dass sie ideologisch auf der richtigen Seite stand und dieses Gefühl werden wir bis heute nicht los. In anderen europäischen Ländern wie Dänemark und Schweden richtet sich die Sozialpolitik auf die Förderung der erwerbstätigen Mutter aus, bei uns in Westdeutschland eben nicht. (Vgl. Barbara Vinken, Die deutsche Mutter, Frankfurt am Main 2007, Teil1, Eine Neuberwertung altbekannter Tatsachen, S. 39-50)
Damals wurde in Deutschland die Versorger- und Hausfrauenehe gefördert (siehe auch Ehegattensplitting) und diese Tradition spüren wir bis heute: nicht nur die nach wie vor prekäre Versorgung mit institutioneller Kinderbetreuung ist ein Problem, sondern auch der Vorwurf der vorherigen Generation. Welche Frau hat nicht schon von irgendeiner Tante gehört, dass das Kind zur Mutter gehört. (Ganz aktuell dazu übrigens ein unsägliches Interview mit Reinhold Messmer in der Zeit.)
Frei von Konventionen
Ich glaube, das ist wichtig zu wissen, damit wir uns entscheiden können. Frei ist natürlich relativ, aber wäre es nicht wunderbar, wenn ein Mann und eine Frau, die Eltern werden, frei von gesellschaftlichen Konventionen ihren Weg so gehen können, wie sie möchten? Darüber hinaus finde ich, dass wir vor allem eine gerechtere Familien- und eine sinnvollere Steuerpolitik brauchen, die Menschen mit Kindern entlastet.
Jedenfalls gibt es jetzt dazu noch die Müttersprechstunde als Podcast-Folge. Ich wünsch dir ganz viel Spaß beim Hören.
Bleib fröhlich und unpferfekt, deine Laura
Werbung: In der Podcast-Folge erzähle ich dir von der Otemi-App, mit der du das Meditieren lernen kannst. Eine Virtual Reality Brille und tolle Inhalte von Experten helfen dir dabei. Weil der Kurs zertifiziert ist, übernehmen viele Krankenkassen 80 bis 100 % der Kosten für den Kurs und die Brille. Schau doch mal hier, ob deine dabei ist. Mit dem Code heuteistmusik bekommst du außerdem den Versand für die Brille und das Kursbuch erlassen.